Möchte tatsächlich jemand im Urlaub arbeiten? Die Antwort der meisten Menschen ist sicher negativ. Urlaub sollte der Erholung von der Arbeit dienen, nicht dem Arbeiten. Trotzdem kann die Mischung aus beiden eine interessante Option sein. Der Begriff „Workcation“, zusammengesetzt aus den englischen Begriffen „Work“ und „Vacation“ für Arbeit und Urlaub, bedeutet nichts anderes als im Urlaub zu arbeiten. Nur stellt man dafür keinen Urlaubsantrag.
Es geht bei Workcation-Auszeiten vielmehr darum, in einer attraktiveres Umgebung als der gewohnten seine Arbeit zu erledigen. Warum ist das interessant? Zum Beispiel, weil ein Tapetenwechsel im Arbeitsalltag gestresste Mitarbeiter vor einem Burn-out oder innerer Kündigung bewahren kann. Ein Urlaub dient der Erholung von der Arbeitsroutine. Die Arbeit dient dem Geldverdienen. Eine Workcation dient dem Geldverdienen an einem Ort, an dem andere Urlaub machen.
Was hat es mit einer Workcation auf sich?
Dieser scheinbar neue Trend existierte bereits vor den ersten Corona-Lockdowns. Ortsunabhängiges Arbeiten praktizierten sogenannte digitale Nomaden bereits vorher. Doch größere Bekanntheit erlangte das Konzept der Workcation erst, als es 2011 in einer Folge der amerikanischen „Today Show“ vorgestellt wurde. Während der Corona-Pandemie entwickelte dieses Konzept zunehmende Beliebtheit. Die Einstellung zum Beruf veränderte sich bei vielen Menschen.
Internet-Gigant „Google“ stellte im Herbst 2022 fest, dass die Suchmaschinen-Nachfrage nach Workcation-Aufenthalten während der ersten Corona-Lockdowns sprunghaft angestiegen war. Begünstigt wurde der Workcation-Trend in den USA durch die allgemeine Arbeitsbelastung sowie die zunehmende Zahl an berufsbedingten Burn-out-Fällen in diversen Branchen – insbesondere der Gastronomie und der Gesundheitsbranche. Außerdem addierte sich das Bedürfnis der Mitarbeiter nach flexibleren Arbeitsbedingungen dazu.
Die Corona-Pandemie wurde dann zum „Booster“ für den Workcation-Trend. Nichts hat das Arbeitsleben so schnell und nachhaltig verändert wie die Pandemie. Der Anteil der Homeoffice-Nutzer stieg sprunghaft an. Hybride Arbeitsmodelle wurden plötzlich akzeptiert. In den USA verdoppelte sich die Zahl derer, die ortsunabhängig arbeiten wollten. Doch nicht jeder Job eignet sich für Workcations.
Welche Vorteile bietet die Zusammenlegung von Arbeit und Urlaub?
Wer an einem beliebigen Ort, an dem andere Urlaub machen, seiner Arbeit nachgeht, sieht darin einen Vorteil. Tapetenwechsel tut jedem Menschen gut. Mitarbeiter*innen erhalten trotz derselben Arbeit neue Impulse. Sie können die Freizeit zu anderen Beschäftigungen und Ausflügen nutzen, neue Menschen kennenlernen. Ein Urlaubsantrag ist nicht notwendig. Die Mitarbeitern zustehenden Urlaubstage entfallen also nicht.
Unternehmen profitieren bei Workcation-Mitarbeitern von einem spürbaren Zuwachs an Elan, Kreativität und Produktivität. Die Mitarbeiter können sich nach Arbeitsende besser erholen. Sie arbeiten motivierter. Die Arbeit wird fristgerecht geleistet. Team-Besprechungen können über Zoom, Jitsi oder FaceTime geleistet werden. Der Kontakt zum Unternehmen und zum Team geht nicht verloren.
Die Work-Life-Balance wird verbessert. Die Zufriedenheit mit dem Job steigt. Das Risiko, an einem Burn-out zu erkranken, sinkt. Die mentale Erholung der Mitarbeiter ist spürbar. Die Mitarbeiter können dank der Workcation den Stressabbau vorantreiben und neue Kraft schöpfen. Der Tapetenwechsel beim ortsunabhängigen Arbeiten ersetzt aber keinen Urlaub. Man könnte diesen jedoch anhängen, um die Erholung zu intensivieren.
Man sollte bei seiner Workcation aber aufpassen, dass Arbeitszeit und Freizeit klar voneinander abgegrenzt werden. Feste Arbeitszeiten sind ebenso notwendig wie eine feste Uhrzeit, an der Feierabend gemacht wird. Ansonsten wäre ein Urlaub der bessere Weg, um sich an einem anderen Ort der Erholung zu widmen. Alternativen zu mehr Erholung und neuen Impulsen durch eine Workcation sind unbezahlte freie Tage oder ein längeres Sabbatical.
Was sollten Mitarbeiter vor einer Workcation bedenken?
Zunächst muss sich der eigene Arbeitsplatz überhaupt für eine Workcation eignen. Wer im Homeoffice am PC arbeitet, ist ein geeigneter Kandidat für diese Form der Arbeitszeitgestaltung. Zweitens muss der Arbeitgeber das Konzept der Workcation gutheißen und den Antrag einzelner Mitarbeiter*innen genehmigen. Dabei sollten Interessierte davon ausgehen, dass sich diese Idee bei vielen deutschen Arbeitsgebern noch nicht durchgesetzt hat. Entsprechende Betriebsvereinbarungen existieren daher nicht überall.
Es muss zudem klar sein, dass die Arbeitnehmer sich auch während der Workcation zu den gewohnten Arbeitszeiten ins Firmennetzwerk einloggen und ihre Arbeit aufnehmen. Disziplin und eine stabile Internetverbindung sind die Voraussetzung für erfolgreiches ortunabhängiges Arbeiten. Außerdem muss der Ort festgelegt werden, an dem der Mitarbeiter eine Zeit lang arbeiten möchte. Wichtig ist auch, dass der gewählte Ort WLAN-Anschluss hat, schnelle Internetverbindungen bietet und in derselben Zeitzone liegt.
Der Zeitpunkt der Workcation sollte in die Planungen des Unternehmens passen. Vermeiden sollten Interessierte, ihren Workcation-Aufenthalt als Flucht vor dem Trubel rund um ein anstehendes Großprojekt zu nutzen. Ebenso wenig sollten sie das ortsunabhängige Arbeiten ausgerechnet in der Hauptreisezeit ansetzen. Es geht eben nicht um einen Urlaub, sondern um effektives und motiviertes Arbeiten an einem anderen Ort. Die Unterkunft muss selbst gesucht, gebucht und bezahlt werden. Sie sollte sich zum Arbeiten eignen.
Gute Planung macht den Aufenthalt zum Erfolg
Alle logistischen Fragen müssen vorab geklärt werden. Einige Aufgaben müssen delegiert werden. Bestimmte Unterlagen müssen mitgenommen werden, meistens wird technisches Equipment benötigt. Die Arbeitszeiten müssen abgesprochen werden. Ihr Team muss mit der Workcation einverstanden sein. Homeoffice an einem anderen Ort zu erleben, stellt nicht zwingend ein Problem dar. Doch die Attraktivität und die Freizeitangebote des Ortes können nicht unerhebliche Ablenkungsfaktoren darstellen.
Dass jemand seine Zeit vor Ort genießt, ist selbstverständlich. Doch es ist zwingend notwendig und muss Basis der Workcation sein, dass die Mitarbeiter*innen genügend Disziplin aufbringen, um die gewohnten Arbeitszeiten am PC zu verbringen. Es ist notwendig, auch dort konzentriert und effizient zu arbeiten. Schließlich erhält man weiter sein gewohntes Gehalt. Der Arbeitgeber erwartet zu Recht, dass seine Mitarbeiter*innen beim ortsunabhängigen Arbeiten integer und verlässlich sind.
Was spricht gegen eine Workcation?
Wer von sich weiß, dass er im Homeoffice schlechter zurechtkommt, weil er bestimmte Dinge an seinem Notebook nicht machen kann, ist kein Kandidat für eine Workcation. Möglicherweise arbeitet er im Unternehmen an zwei Bildschirmen oder an einem großen Curved-Display. In diesem Fall wirkt der Bildschirm eines 18 Zoll-Notebooks ziemlich klein. Das kann die Arbeits-Effizienz beeinträchtigen. Wenn die Server-Verbindung abbricht, weil das Internet überlastet ist, arbeitet es sich ebenfalls nicht gut.
Die Internetverbindung zum Unternehmen muss für manche Jobs dauerhaft stabil sein. Wenn die Workcation-Wochen im Ausland stattfinden, kann es ein Problem mit unterschiedlichen Zeitzonen geben. Das kann bei telefonischen Kundenkontakten ein Problem darstellen. Zudem kann ein ortsunabhängiges Homeoffice einen erhöhten Kommunikations- und Koordinationsbedarf hervorrufen, der im Unternehmen verbliebene Team stark belastet. Das kann im Team zu Stress, Ärger, Konflikten, Kritik und Missgunst führen.
In diesem Fall ist es aus Sicht der Teamleitung und der Arbeitgeber kontraproduktiv, weitere Workcations zu gestatten. Die Unternehmensleitung wird nicht vom Sinn dieses Konzept überzeugt sein. Sie hat keine Kontrolle über die geleisteten Arbeiten. Täuschungsversuche sowie schlechte Arbeitsleistungen eines ortsunabhängig arbeitenden Arbeitnehmers führen dazu, dass die Möglichkeit, seine Arbeit in Form einer Workcation-Zeit zu beleben, eingedampft wird.
Auslands-Workcations: Beliebt, aber nicht unproblematisch
Bei Auslands-Workcations können steuerrechtliche, sozialversicherungsbezogene oder arbeitsrechtliche Aspekte zum Tragen kommen. Bei maximal vierwöchigen Aufenthalten im Ausland gilt das deutsche Arbeitsrecht. Bei längeren Auslands-Workcations gilt Landesrecht. Ein Arbeitsvisum kann erforderlich werden. Bei beruflichen Workations von jährlich maximal 183 Tagen ist der Arbeitnehmer in Deutschland steuerpflichtig, sonst im gewählten Ausland.
Die Sozialversicherung gilt üblicherweise nur für Deutschland. In EU-Ländern gelten für Aufenthalte von Mitarbeitern deutscher Unternehmen, dass sie weiterhin nach deutschem Sozialversicherungsrecht versichert bleiben. Jedoch müssen die Mitarbeiter*innen mindestens 25 Prozent des Jahres in Deutschland anwesend und beschäftigt sein. Sie müssen zudem einen Wohnsitz in Deutschland haben. Gleiches gilt für Workcations in Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz.